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Friedhöfe sind langweilige und ruhige Orte, auf denen nicht viel passiert – sollte man meinen. Allein im gerade erst angebrochenen Kalenderjahr 2016 gab es aber schon das eine oder andere außergewöhnliche Ereignis auf Deutschlands Friedhöfen, von Raubüberfall bis Wohnungsbau. Plus: Zwei der beeindruckendsten deutschen Friedhöfe im Porträt.
Nichts Böses dachte sich eine 86-jährige in Hamburg, die am helllichten Donnerstagmittag mit ihrem Gehwagen auf dem Friedhof in Glinde, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein, unterwegs war. Doch plötzlich wurde sie von fünf bis sechs unbekannten Jugendlichen umringt, die sie fragten, ob sie Geld dabei habe. Als die Rentnerin verneinte, riss einer der Räuber ihr die Brille vom Kopf. Die Angreifer machten sich mit der 740 Euro teuren Brille aus dem Staub und ließen die arme Frau allein und mit schlechter Sicht auf dem Friedhof zurück. Das Opfer hat inzwischen Anzeige erstattet.
Dass nicht alle Jugendlichen so herzlos sind, zeigte der Projektkurs Geschichte der Willy-Brandt-Gesamtschule in Bottrop. Die Klasse reinigte den jüdischen Friedhof, der sich am Rande des Westfriedhofs befindet. Hintergrund: Am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar sollte es auf der Anlage vorzeigbar aussehen – immerhin wollte Oberbürgermeister Bernd Tischler an diesem Tag eine Gedenktafel enthüllen. Auf ihr soll die Geschichte des Friedhofs sowie die der 14 Gräber und neun Gedenkinschriften erläutert werden.
In Berlin gibt es derweil große Pläne für die stadteigenen Friedhöfe. Aufgrund des für die nächsten Jahre zu erwartenden Bevölkerungszuwachses hat der Senat jetzt das sogenannte „Wohnungsbaubeschleunigungsgesetz“ verabschiedet, das die Situation auf dem Wohnungsmarkt entschärfen soll. Dieses Gesetz betrifft auch die Berliner Friedhöfe. Während ungenutzte Friedhofsflächen bisher meist in Grünflächen umgewandelt wurden, sollen in Zukunft Wohnungen darauf gebaut werden dürfen. Nach Berliner Gesetzen muss ein Grab für 30 Jahre unangetastet bleiben. Es gilt zunächst eine 20-jährige Ruhefrist, darauf folgt eine 10-jährige sogenannte Pietätsfrist. Im Anschluss daran darf in Zukunft gebaut werden.
Statistik: Anzahl der geöffneten Friedhöfe in Berlin. Quelle: Eigene Darstellung
In Berlin steht auch die berühmteste und wichtigste Gedenkstätte des ganzen Landes: Das Holocaust-Denkmal im Regierungsviertel. Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ wurde 2005 eingeweiht, nachdem es sich zwei Jahre lang im Bau befunden hatte. Im ersten Jahr zählte man dort 3,5 Millionen Besucher – das Denkmal gehört mittlerweile für jeden Berlin-Touristen zum festen Bestandteil der Sightseeing-Tour. Von der Idee bis zur Eröffnung dauerte es ganze 27 Jahre. Die Publizistin Lea Rosh hatte 1988 den Bau eines Denkmals vergleichbar mit dem Vad-Yashem-Denkmal in Israel angeregt. 1994 wurde dann ein Wettbewerb ausgerufen, die Stadt sowie die Bundesrepublik konnten sich auch auf einen Entwurf einigen. Dieser wurde allerdings vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl abgelehnt.
Stelen-Mahnmal in Berlin zum Gedenken an die ermordeten Juden in Europa. Bildquelle: nexus 7 – 367575308 / Shutterstock.com
Es dauerte dann bis zum Jahr 1999, als der Bundestag den Bau des Mahnmals beschloss – ein Entwurf des New Yorker Architekten Peter Eisenman wurde es letztlich, auch wenn dieser noch mehrfach bearbeitet und geändert wurde. Mit dem Bau begonnen wurde aufgrund mehrerer Verzögerungen erst 2003. Das Mahnmal kostete rund 35 Millionen Euro.
Während das Berliner Holocaust-Denkmal sicher das spektakulärste seiner Art in Deutschland ist, gibt es einen der ehrwürdigsten Friedhöfe der Republik in Hamburg. Genauer gesagt im Stadtteil Ohlsdorf. Das 1877 eingeweihte Gelände ist mit 391 Hektar der größte Parkfriedhof der Welt. Er ist Kulturdenkmal und Erholungsraum zugleich, historische Grabstätten, 800 Skulpturen und eine eindrucksvolle Gartenarchitektur machen ihn zu einem Gesamtkunstwerk von internationalem Rang.